Der Kranz (Gottfried Keller)
Der Frühling ging durchs reiche Schwabenland
Und mit ihm Ludwig Uhland, an der Hand
Die treue Gattin; denn es kam zu wandern
Der teure Mann von einem Ort zum andern.
Mag's mit dem Recht in Stuttgart nicht gelingen,
Will lehrend er ins Herz der Jugend dringen
Zu Tübingen am alten Musensitz,
Umleuchtet noch von hellem Geisterblitz.
So wallt das Paar still und getrost dahin,
Wo Täler weiss im Schnee der Bäume blühn;
Doch sieh! Beim Steine, der die Markung kündet,
Steht eine Schar von Freunden treu verbündet.
Die Kampfgenossen für des Volkes Rechte,
Sie harren sein mit einem Kranzgeflechte
Von dichtem Lorbeer, glänzend frisch und grün,
Den reichen sie dem Sänger hold und kühn.
Ein letzter Kuss! Der letzte Becher blinkt,
Und ferne schon die Hand zum Scheiden winkt;
Dem Meister glänzt das Aug', das lebenswarme,
Und Frau und Kranz führt er am rechten Arme.
Sie wandeln bald in einem lichten Walde
Von grossen Eichen an der sanften Halde;
Wie steht so fest und frei der edle Hain,
Und überall blaut noch der Himmel drein!
Hoch oben kreist der Falk im Sonnenlicht,
Das durch das Gitterwerk der Zweige bricht,
Und Uhland, schreitend im geweihten Raume,
Tritt unversehns zum nächsten Eichenbaume.
Rasch hängt er auf den Kranz, und schweigend wendet
Den Schritt er weiter; nur Frau Emma sendet
Traurig den Blick zurück, doch strahlend licht
Wird drauf ihr Aug', sieht sie den Mann so schlicht.
Im Waldesdämmer an dem grauen Stamme
Verlassen glimmt des Lorbeers grüne Flamme.
Vorüber zog das Wanderpaar schon lang,
Und laut erschallt im Hain der Vogelsang!