Georg Bötticher

Regeln für Dichterfreunde (Georg Bötticher)

             

So dir zum Freund ein Dichter ward,

Nun, so behandle ihn nicht hart –

Doch weck auch nicht den in Poeten

Schlummernden Trieb: von sich zu reden!

Leihst du ihm allzuwillig Ohr,

Liest er dir seine Verse vor –

Nicht hin und wieder, nein, tagtäglich –

Welches für Sterbliche unerträglich!

Drum rat ich als erfahrner Mann:

Hör deinen Freund mit Vorsicht an

Und sei bedacht, scharf aufzupassen,

Ob seine Hand nach der Tasche will fassen!

Bemerkst du's – so ergreif das Wort

Und sprich, und sprich – in einem fort:

Erzähl' ihm Glücks- und Unglücksfälle.

Viele – und dann empfiehl dich schnelle!

Auf daß er dir's nicht trage nach,

Lob ihn zuweilen (nicht zu schwach!),

Sprich Gutes über seine Werke –

(Aber auch wieder zu viel nicht, das merke!)

Besuchst du ihn in seinem Haus,

Vergiß nicht einen kleinen Strauß:

Im Knopfloch solch ein Blumenendchen –

Wirkt es doch fast wie ein Ordensbändchen.

Unfraglich zwar verehrt ihm doch

Die Nachwelt einst den Lorbeer noch.

Indessen bleibt's – um nicht zu lügen –

Immer noch sichrer, ihn lebend zu kriegen.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-910148-30-1
Erschienen im Buch "Alfanzereien und Allotria"
Herausgeber: Sachsenbuch Verlagsgesellschaft