Friedrich Gottlieb Klopstock

Der Kamin (Friedrich Gottlieb Klopstock)

         

»Wenn der Morgen in dem May mit der Blüthen

    Erstem Geruch erwacht;

So begrüßet ihn entzückt vom bethauten

    Zweige des Waldes Lied;

So empfindet, wer in Hütten an dem Walde

    Wohnet, wie schön du bist,

Natur! Jugendlich hellt sich des Greises

    Blick, und dankt! lauter freut

Sich der Jüngling; er verläßt mit des Rehes

    Leichterem Sprung den Busch,

Und ersteigt bald den erhöhteren Hügel,

    Stehet, und schaut umher,

Wie der Wecker mit dem röthlichen Fuß

    Auf die Gebirge tritt,

Und den Frühling um sich her durch das Wehn

    Der frühen Luft sanft bewegt.

Wenn der Morgen des Dezembers in des Frostes

    Düften erwacht, und glänzt;

So begrüßet ihn mit Hüpfen von dem Silber-

    Zweige der Sänger Volk,

Und ersinnet für den künftigen May

    Neue Gesänge sich;

So empfindet, wer in Hütten auf dem Lande

    Wohnet, wie schön du bist,

Natur! Munter erhellt sich des gestärkten

    Greises Blick! mehr noch fühlt

Sich der Jüngling; er enteilt mit des Rehes

    Leichterem Sprung dem Heerd',

Und im Laufe zum besternten Landsee

    Blickt er umher, und sieht,

Wie der Wecker mit dem röthlichen Fuß

    Halb im Gewölke steht,

Und der Winter um sich her das Gefilde

    Sanft schimmernd bedeckt, und schweigt.

O ihr Freuden des Dezembers! er rufts,

    Säumt nicht, betritt den See,

Und beflügelt sich mit Stahle den Fuß.

    Ein Städter, sein Freund, verließ

Den Kamin früh. Er entdeckt von dem hohen

    Roß in der Ferne schon

Den Landmann, wie er schwebt, und den Krystall

    Hinter sich tönen läßt.

O ihr Freuden des Dezembers! so ruft

    Der Städter nun auch, und springt

Von dem Rosse, das in Wolken des Dampfes

    Steht, und die Mähne senkt.

Jetzt legt auch die Beflüglung des Stahls

    Der Städter sich an, und reißt

Durch die Schilfe sich hervor. Sie entschwingen,

    Pfeilen im Fluge gleich,

Sich dem Ufer. Wie der schnellende Bogen

    Hinter dem Pfeil' ertönt,

So ertönet das erstarrte Gewässer

    Hinter den fliegenden.

Mit Gefühle der Gesundheit durchströmt

    Die frohe Bewegung sie,

Da die Kühlungen der reineren Luft

    Ihr eilendes Blut durchwehn,

Und die zarteste des Nervengewebs

    Gleichgewicht halten hilft.

Unermüdet von dem flüchtigen Tanze,

    Schweben sie Tage lang;

Und musiklos gefällt er. Wenn am Abend

    Rauchender Winterkohl

Sie gelezt hat, so verlassen sie schnell

    Die sinkende Glut des Heerds,

Und beseelen sich die Ferse, die Ruh

    Der schimmernden Mitternacht

Durch die Freuden des gewagteren Laufs

    Zu stören. Sie eilen hin,

Und verlachen, wer noch jetzo bey dem Schmause

    Weilet, und schlummernd gähnt.

Die gesünderen, und froheren wünschet

    Der kennende Zeichner sich,

Und vertauschte das gelohnte Modell

    Gern mit dem freyeren.«

Da der Weichling Behager so gesprochen,

    Gürtet er fester noch

Sein Rauchwerk! und die Flamme des Kamins

    Schwinget noch lermender

In dem neuen Gehölze sich empor!

    Dicker und höher steigt,

Aus der vollen unermeßlichen Schale,

    Duftend von weissem Rak,

Der Punschdampf! An des schwatzenden Stahlen

    Naget indeß der Rost.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-001391-7
Erschienen im Buch "Oden"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.