Friedrich Gottlieb Klopstock

Auch die Nachwelt (Friedrich Gottlieb Klopstock)

Im Januar 1799

       

Einst wütet' eine Pest durch Europa's Nord,

Genant der schwarze Tod. Wenn der schwärzere,

Die sittliche, mit der ihr heimsucht,

Sich nur nicht auch zu dem Norden hinwölkt.

Geschaudert hat vor euch mich, ihr Raubenden,

Und dennoch Stolzen! die ihr die Freyheit nent,

Und Alles dann, was Menschenwohl ist,

Stürzet, zermalmt, und zu Elend umschaft!

Gezürnet hab' ich, und der Gerechtigkeit

Zorn war es, welcher mir mit der Flamme Kraft

Das Herz durchdrang! Doch vor dem schwermuts-

Nahen Gefühle des Grams entfloh er.

Ich will nicht wieder zürnen, nicht schaudern, will

Nicht trauren. Ruhig blicket die Kält' herab,

Wenn sie ihr Endurteil nun spricht. Ihr

Stolzen und Niedrigen... (Menschenfeindschaft

Bekämpft' umsonst mich! Darum sey euch allein

Mein Wort gewidmet, treffe nicht mit wer Mensch

Blieb, ob er wohl auch Frevel that) ihr

Stolzen und Raubenden, ich veracht' euch.

Wer von den Franken, daß ich verachten muß,

Mitfühlt, der treufelt Traurender Zähr' herab,

Und weiht die edle mir, der leidend

Nahm von der Wahrheit Gesicht den Schleyer.

Und dieses Leiden trübet denn jetzo den,

Der einst, von heißen frohen Erwartungen

Durchdrungen, in der Frühe Schauer,

Galliens werdenden Tag begrüßte.

Wähnt nicht, er lass' es je der Vergessenheit.

Denn drohte die; er grüb' es in Marmor ein,

Grüb's ein in Erzt! Doch was bedarf er

Felsen? was Erzt? Er bewahrt's im Herzen!

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-001391-7
Erschienen im Buch "Oden"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.