Friedrich Schiller

Sängers Abschied (Friedrich Schiller)

   

    Die Muse schweigt; mit jungfräulichen Wangen,

Erröthen im verschämten Angesicht,

Tritt sie vor dich, ihr Urtheil zu empfangen;

Sie achtet es, doch fürchtet sie es nicht.

Des Guten Beifall wünscht sie zu erlangen,

Den Wahrheit rührt, den Flimmer nicht besticht;

Nur wem ein Herz empfänglich für das Schöne

Im Busen schlägt, ist werth, daß er sie kröne.

    Der Lenz erwacht, auf den erwärmten Triften

Schießt frohes Leben jugendlich hervor,

Die Staude würzt die Luft mit Nektardüften,

Den Himmel füllt ein muntrer Sängerchor,

Und Jung und Alt ergeht sich in den Lüften

Und freuet sich und schwelgt mit Aug' und Ohr.

Der Lenz entflieht! Die Blume schießt in Samen,

Und keine bleibt von allen, welche kamen.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Schillers Sämmtliche Werke, Erster Band"
Herausgeber: J. G. Cotta'sche Buchhandlung