Friedrich Schiller

Poesie des Lebens - An *** (Friedrich Schiller)

An ***

    So rufst du aus und blickst, mein strenger Freund,

Aus der Erfahrung sichrem Porte

Verwerfend hin auf Alles, was nur scheint.

Erschreckt von deinem ernsten Worte,

Entflieht der Liebesgötter Schaar,

Der Musen Spiel verstummt, es ruhn der Horen Tänze,

Still trauernd nehmen ihre Kränze

Die Schwestergöttinnen vom schön gelockten Haar,

Apoll zerbricht die neue Leier

Und Hermes seinen Wunderstab,

Des Traumes rosenfarbner Schleier

Fällt von des Lebens bleichem Antlitz ab,

Die Welt scheint, was sie ist, ein Grab.

Von seinen Augen nimmt die zauberische Binde

Cytherens Sohn, die Liebe sieht,

Sie sieht in ihrem Götterkinde

Den Sterblichen, erschrickt und flieht,

Der Schönheit Jugendbild veraltet,

Auf deinen Lippen selbst erkaltet

Der Liebe Kuß, und in der Freude Schwung

Ergreift dich die Versteinerung.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Schillers Sämmtliche Werke, Erster Band"
Herausgeber: J. G. Cotta'sche Buchhandlung