Friedrich Schiller

Melancholie an Laura (Friedrich Schiller)

    Laura - Sonnenaufgangsgluth

Brennt in deinen goldnen Blicken,

    In den Wangen springt purpurisch Blut,

    Deiner Thränen Perlenfluth

Nennt noch Mutter das Entzücken -

    Dem der schöne Tropfe thaut,

    Der darin Vergöttrung schaut,

Ach, dem Jüngling, der belohnet wimmert,

Sonnen sind ihm aufgedämmert!

Deine Seele, gleich der Spiegelwelle

Silberklar und Sonnenhelle,

    Maiet noch den trüben Herbst um dich;

    Wüsten, öd' und schauerlich,

Lichten sich in deiner Strahlenquelle;

Düstrer Zukunft Nebelferne

Goldet sich in deinem Sterne;

    Lächelst du der Reize Harmonie?

    Und ich weine über sie. -

Untergrub denn nicht der Erde Feste

    Lange schon das Reich der Nacht?

Unsre stolz aufthürmenden Paläste,

    Unsrer Städte majestät'sche Pracht

Ruhen all' auf modernden Gebeinen;

    Deine Nelken saugen süßen Duft

Aus Verwesung; deine Quellen weinen

    Aus dem Becken einer - Menschengruft.

Blick' empor - die schwimmenden Planeten

Laß dir, Laura, seine Welten reden!

    Unter ihrem Zirkel flohn

    Tausend bunte Lenze schon,

Thürmten tausend Throne sich,

Heulten tausend Schlachten fürchterlich.

    In den eisernen Fluren

    Suche ihre Spuren!

Früher, später reif zum Grab,

Laufen, ach, die Räder ab

    An Planetenuhren.

    Blinze dreimal - und der Sonnen Pracht

    Löscht im Meer der Todtennacht!

Frage mich, von wannen deine Strahlen lodern!

    Prahlst du mit des Auges Gluth?

    Mit der Wangen frischem Purpurblut,

Abgeborgt von mürben Modern?

    Wuchernd fürs geliehne Roth,

    Wuchernd, Mädchen, wird der Tod

Schwere Zinsen fodern!

Rede, Mädchen, nicht dem Starken Hohn!

    Eine schönre Wangenröthe

Ist doch nur des Todes schönrer Thron;

    Hinter dieser blumigten Tapete

Spannt den Bogen der Verderber schon -

Glaub' es - glaub' es, Laura, deinem Schwärmer:

    Nur der Tod ist's, dem dein schmachtend Auge winkt;

    Jeder deiner Strahlenblicke trinkt

Deines Lebens karges Lämpchen ärmer;

    Meine Pulse, prahlest du,

Hüpfen noch so jugendlich von dannen -

Ach! die Kreaturen des Tyrannen

    Schlagen tückisch der Verwesung zu.

    Auseinander bläst der Tod geschwind

    Dieses Lächeln, wie der Wind

Regenbogenfarbigtes Geschäume.

    Ewig fruchtlos suchst du seine Spur,

    Aus dem Frühling der Natur,

Aus dem Leben, wie aus seinem Keime,

    Wächst der ew'ge Würger nur.

Weh! entblättert seh' ich deine Rosen liegen,

    Bleich erstorben deinen süßen Mund,

    Deiner Wangen wallendes Rund

Werden rauhe Winterstürme pflügen,

    Düstrer Jahre Nebelschein

Wir der Jugend Silberquelle trüben,

Dann wird Laura - Laura nicht mehr lieben,

    Laura nicht mehr liebenswürdig sein.

Mädchen - stark wie Eiche stehet noch dein Dichter;

    Stumpf an meiner Jugend Felsenkraft

    Niederfällt des Todtenspeeres Schaft;

Meine Blicke - brennend wie die Lichter

    Seines Himmels - feuriger mein Geist

Denn die Lichter seines ew'gen Himmels,

Der im Meere eignen Weltgewimmels

    Felsen thürmt und niederreißt;

Kühn durchs Weltall steuern die Gedanken,

Fürchten nichts - als seine Schranken.

Weinst du, Laura? - Thräne, sei verneinet,

Die des Alters Strafloos mir erweinet!

    Weg! versiege, Thräne, Sünderin!

Laura will, daß meine Kraft entweiche,

Daß ich zitternd unter dieser Sonne schleiche,

    Die des Jünglings Adlergang gesehn? -

Daß des Busens lichte Himmelsflamme

Mit erfrornem Herzen ich verdamme,

Daß die Augen meines Geists verblinden,

Daß ich fluche meinen schönsten Sünden?

    Nein! versiege, Thräne, Sünderin! -

Brich die Blume in der schönsten Schöne,

Lösch', o Jüngling mit der Trauermiene,

    Meine Fackel weinend aus;

Wie der Vorhang an der Trauerbühne

Niederrauschet bei der schönsten Scene,

    Fliehn die Schatten - und noch schweigend horcht das Haus. -

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Schillers Sämmtliche Werke, Erster Band"
Herausgeber: J. G. Cotta'sche Buchhandlung