Friedrich Schiller

Die Sänger der Vorwelt (Friedrich Schiller)

     

Sagt, wo sind die Vortrefflichen hin, wo find' ich die Sänger,

    Die mit dem lebenden Wort horchende Völker entzückt,

Die vom Himmel den Gott, zum Himmel den Menschen gesungen

    Und getragen den Geist hoch auf den Flügeln des Liedes?

Ach, noch leben die Sänger; nur fehlen die Thaten, die Lyra

    Freudig zu wecken, es fehlt, ach! ein empfangendes Ohr.

Glückliche Dichter der glücklichen Welt! Von Munde zu Munde

    Flog, von Geschlecht zu Geschlecht euer empfundenes Wort.

Wie man die Götter empfängt, so begrüßte Jeder mit Andacht,

    Was der Genius ihm, redend und bildend, erschuf.

An der Gluth des Gesangs entflammten des Hörers Gefühle,

    An des Hörers Gefühl nährte der Sänger die Glut -

Nährt' und reinigte sie! Der Glückliche, dem in des Volkes

    Stimme noch hell zurück tönte die Seele des Lieds,

Dem noch von außen erschien, im Leben, die himmlische Gottheit,

    Die der Neuere kaum, kaum noch im Herzen vernimmt.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Schillers Sämmtliche Werke, Erster Band"
Herausgeber: J. G. Cotta'sche Buchhandlung