Friedrich Schiller

Die Rache der Musen (Friedrich Schiller)

Eine Anekdote vom Helikon

         

Weinend kamen einst die Neune

    Zu dem Liedergott.

»Hör, Papachen«, rief die Kleine,

    »Wie man uns bedroht!

Junge Dintenlecker schwärmen

    Um den Helikon,

Raufen sich, hantieren, lärmen

    Bis zu deinem Thron.

Galoppieren auf dem Springer,

    Reiten ihn zur Tränk,

Nennen sich gar hohe Sänger,

    Barden eingedenk!

Wollen uns – wie garstig! – nöten,

    Ei! die Grobian!

Was ich, ohne Schamerröten,

    Nicht erzählen kann;

Einer brüllt heraus vor allen,

    Schreit: Ich führ das Heer!

Schlägt mit beiden Fäust und Ballen

    Um sich wie ein Bär.

Pfeift wohl gar – wie ungeschliffen! –

    Andre Schläfer wach.

Zweimal hat er schon gepfiffen,

    Doch kommt keiner nach.

Droht, er komm noch öfter wieder;

    Da sei Zeus dafür!

Vater, liebst du Sang und Lieder,

    Weis ihm doch die Tür!«

Vater Phöbus hört mit Lachen

    Ihren Klagbericht:

»Wollen's kurz mit ihnen machen,

    Kinder, zittert nicht!

Eine muß ins höllsche Feuer,

    Geh, Melpomene!

Leihe Kleider, Noten, Leier

    Einer Furie.

Sie begegn' in dem Gewande,

    Als wär sie verirrt,

Einem dieser Jaunerbande,

    Wenn es dunkel wird.

Mögen dann in finstern Küssen

    An dem artgen Kind

Ihr wilden Lüste büßen,

    Wie sie würdig sind.«

Red und Tat! – Die Höllengöttin

    War schon aufgeschmückt;

Man erzählt, die Herren hätten

    Kaum den Raub erblickt,

Waren hübsche Jungens drunter,

    Wie gerieten sie,

Dieses, Brüder, nimmt mich wunder,

    In die Kompanie?

Die Göttin abortiert hernach:

Kam raus ein neuer – Almanach.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008501-2
Erschienen im Buch "Deutsche Balladen"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.