Friedrich Schiller

Die Gunst des Augenblicks (Friedrich Schiller)

   

Und so finden wir uns wieder

    In dem heitern bunten Reihn,

Und es soll der Kranz der Lieder

    Frisch und grün geflochten sein.

Aber wem der Götter bringen

    Wir des Liedes ersten Zoll?

Ihn vor allen laßt uns singen,

    Der die Freude schaffen soll.

Denn was frommt es, daß mit Leben

    Ceres den Altar geschmückt?

Daß den Purpursaft der Reben

    Bacchus in die Schale drückt?

Zückt vom Himmel nicht der Funken,

    Der den Herd in Flammen setzt,

Ist der Geist nicht feuertrunken,

    Und das Herz bleibt unergötzt.

Aus den Wolken muß es fallen,

    Aus der Götter Schooß, das Glück,

Und der mächtigste von allen

    Herrschern ist der Augenblick.

Von dem allerersten Werden

    Der unendlichen Natur

Alles Göttliche auf Erden

    Ist ein Lichtgedanke nur.

Langsam in dem Lauf der Horen

    Füget sich der Stein zum Stein,

Schnell, wie es der Geist geboren,

    Will das Werk empfunden sein.

So ist jede schöne Gabe

    Flüchtig wie des Blitzes Schein;

Schnell in ihrem düstern Grabe

    Schließt die Nacht sie wieder ein.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Schillers Sämmtliche Werke, Erster Band"
Herausgeber: J. G. Cotta'sche Buchhandlung