Festgedicht (Ferdinand von Saar)
zur Aufstellung der Kaiser-Joseph-Statue im Allgemeinen Krankenhause zu Wien.
(Anläßlich der hundertjährigen Feier dieser Anstalt.)
Im März 1884.
Nur langsam reift das Große und das Gute,
Mit diesem Leben stets im Widerstreit,
Zu wappnen hat es sich mit hehrem Mute,
Denn oft dem Untergang scheint es geweiht;
Doch wie auch Mißgunst neidisch es umflute,
Wie es umnachten will der Haß der Zeit:
Die Stunde naht es bricht durch die Verhüllung
Und leuchtet auf in strahlender Erfüllung.
So auch dies Haus, das heut nach hundert Jahren
Die Feier seines Werdens froh begeht
Und nach dem Wandel all, den es erfahren,
Zu ew'ger Dauer fest gegründet steht:
Der Menschenliebe schönstes Offenbaren,
Vom Banner freier Forschung stolz umweht
Erfüllend ernst und groß den Hochgedanken:
»Zum Heile sei es und zum Trost der Kranken!«
Drum wie auch hier im Wechsellauf der Zeiten
Die Kraft erprobter Männer sich gemüht,
Wie viele Herzen hier der Pflicht sich weihten,
Wie viele Denkerstirnen hier geglüht
Wie mächtig auch gedrungen in die Weiten
Der Ruhm der Wissenschaft, die hier erblüht:
Vor allem sei derjenige gepriesen,
Der als des Werkes Schöpfer sich erwiesen!
O, welchen Segen hat er ausgegossen,
Als er »der Menschheit Schätzer« sich genannt!
Und als er ihr auch dies Asyl erschlossen,
In ihrer Leiden Mitgefühl entbrannt:
Da hat sein Geist, vom hellsten Licht umflossen,
Die goldnen Zukunftsfrüchte vorerkannt
Und so, erfüllt von siegesfrohem Ahnen,
Der Nachwelt schon gewiesen ihre Bahnen.
Und darum sei auch heut in diesen Räumen
Sein edles Bildnis aufgestellt aus Erz!
Es throne hier, umrauscht von grünen Bäumen,
Ergreifend still des Volkes Sinn und Herz,
Daß, wer da wandelt in Genesungsträumen
Und wer das Haus betritt in Qual und Schmerz:
Mit Dankesblicken diesem Bild begegne
Und Kaiser Josephs Angedenken segne!