Josephine (Eduard Mörike)
Das Hochamt war. Der Morgensonne Blick
Glomm wunderbar im suessen Weihrauchscheine;
Der Priester schwieg; nun brauste die Musik
Vom Chor herab zur Tiefe der Gemeine.
So stuerzt ein sonnetrunkner Aar
Vom Himmel sich mit herrlichem Gefieder,
So laesst Jehovens Mantel unsichtbar
Sich stuermend aus den Wolken nieder.
Dazwischen hoert ich eine Stimme wehen,
Die sanft den Sturm der Choere unterbrach;
Sie schmiegte sich mit schwesterlichem Flehen
Dem suess verwandten Ton der Floete nach.
Wer ists, der diese Himmelsklaenge schickt?
Das Maedchen dort, das so bescheiden blickt.
Ich eile sachte auf die Galerie;
Zwar klopft mein Herz, doch tret ich hinter sie.
Hier konnt ich denn in unschuldsvoller Lust
Mit leiser Hand ihr festlich Kleid beruehren,
Ich konnte still, ihr selber unbewusst,
Die nahe Regung ihres Wesens spueren.
Doch, welch ein Blick und welche Miene,
Als ich das Wort nun endlich nahm,
Und nun der Name Josephine
Mir herzlich auf die Lippen kam!
Welch zages Spiel die braunen Augen hatten!
Wie barg sich unterm tiefgesenkten Schatten
Der Wimper gern die ros'ge Scham!
O dieser Ton - ich fuehlt es nur zu bald,
Schlich sich ins Herz und macht' es tief erkranken;
Ich stehe wie ein Traeumer in Gedanken,
Indes die Orgel nun verhallt,
Die Saengerin vorueberwallt,
Die Kirche aufbricht und die Kerzen wanken.