Hochzeitlied (Eduard Mörike)
Mit einem blauen Kornblumenkranze
Nicht weit vom Dorf zwei Linden stehen
Einsam, der Felder stille Hut,
Wo in der Sommernächte Wehen
Ein Hirte gern, ein Dichter, ruht.
Hell schwamm auf Duft und Nebelhülle
Des Mondes leiser Zaubertag,
Kaum unterbrach die süße Stille
Von fern bescheidner Wachtelschlag.
Und wie ich ruhig so inmitten
All dieser Schönheit lag und sann,
Da kam mit leicht gehobnen Schritten
Ein göttlich Frauenbild heran.
Gewiß, es war der Musen eine,
Erschrocken merkt ich's, lustbewegt;
Sie setzt sich zu mir an dem Raine,
Die Hand auf meinen Arm gelegt.
Und schüttelt lächelnd aus dem Kleide
Blaue Zyanen, Stern an Stern:
»Dich stört's nicht, wenn an deiner Seite
Ich heut ein Kränzlein bände gern.
Nicht wahr, mit Schwärmen und mit Plaudern
Verbrächte gern mein Freund die Nacht?
Doch flecht ich still, und ohne Zaudern
Sei du mir auf ein Lied bedacht!
Sieh, wo das Dörflein mit der Spitze
Des gelben Turms herüberschaut,
Dort schlummert auf dem Elternsitze
Noch wenig Nächte eine Braut.
Sie schläft; der Wange Rosen beben,
Wir beide ahnen wohl, wovon;
Um die halb offne Lippe schweben
Die Träume glühnder Küsse schon.
Ach nein! mit lauten Herzensschlägen
Hört sie vielleicht der Glocken Klang,
Hört am Altar den Vatersegen
Und eines Engels Brautgesang;
Sieht unter Weinen sich umschlungen
Von Mutter-Lieb, von Schwester-Treu,
Das Herz, von Lust und Schmerz gedrungen,
Macht sich mit tausend Tränen frei.
Und alle diese sel'gen Träume,
Der nächste Morgen macht sie wahr;
Es stehen schon des Hauses Räume
Geschmückt für froher Gäste Schar.
Hier aber, wo mit den Gespielen
Das Mädchen oft sich Veilchen las,
Vielleicht alleine mit Gefühlen
Der sehnsuchtsvollen Ahnung saß,
Hier, unterm Blick prophet'scher Sterne,
Weih ich mit dir dies Fest voraus:
Tief schaut die Muse in die Ferne
Des bräutlichen Geschicks hinaus.
Wie golden winkt die neue Schwelle
Des Lebens jedem jungen Paar!
Doch weiß man, daß nicht stets so helle
Der Mittag wie der Morgen war.
Bei manchem lauten Hochzeitfeste
Schlich mit weissagendem Gemüt
Ich aus dem Kreis entzückter Gäste,
Und sang ein heimlich Trauerlied.
Heut aber seh ich schöne Tage
Blühn in gedrängter Sternensaat,
Entschieden liegt schon auf der Waage,
Was dieses Paar vom Schicksal bat.
Hast, Liebchen, du der Jugend Blüte,
Anmut und Liebenswürdigkeit,
All deines Herzens lautre Güte
Kühn deinem Einzigen geweiht;
Läßt du der Heimat Friedensauen,
So manch ein lang gewohntes Glück,
Um dir den eignen Herd zu bauen,
Halb wehmutsvoll, halb froh zurück:
Getrost! so darf ich laut es zeugen,
Ein würdig Herz hast du gewählt;
Selbst böser Neid bekennt mit Schweigen,
Daß nichts zu deinem Glücke fehlt.
Denn Heiterkeit und holde Sitte,
Wie Sommerluft, durchwehn dein Haus,
Und, goldbeschuht, mit leisem Tritte
Gehn Segensengel ein und aus.«
Die Muse schwieg, und ohne Säumen
Flocht sie nun mit geschäftger Hand,
Indes zu anspruchlosen Reimen
Ich ihre Worte still verband.
Auf einmal hielt sie mir entgegen
Den fertigen Zyanenkranz,
Und sprach: »Bring's ihr mit meinem Segen!«
Und schwand dahin im Nebelglanz.
Und lichter ward's und immer lichter,
In mir und außer mir; da ging
Die Sonne auf, von der der Dichter
Den ersten Strahl für euch empfing.