An Wilhelm Hartlaub (Eduard Mörike)
Durchs Fenster schien der helle Mond herein;
Du sassest am Klavier im Daemmerschein,
Versankst im Traumgewuehl der Melodien,
Ich folgte dir an schwarzen Gruenden hin,
Wo der Gesang versteckter Quellen klang,
Gleich Kinderstimmen, die der Wind verschlang.
Doch ploetzlich war dein Spiel wie umgewandt,
Nur blauer Himmel schien noch ausgespannt,
Ein jeder Ton ein lang gehaltnes Schweigen.
Da fing das Firmament sich an zu neigen,
Und jaeh daran herab der Sterne selig Heer
Glitt rieselnd in ein goldig Nebelmeer,
Bis Tropf' um Tropfen hell darin zerging,
Die alte Nacht den oeden Raum umfing.
Und als du neu ein froehlich Leben wecktest,
Die Finsternis mit jungem Lichte schrecktest,
War ich schon weit hinweg mit Sinn und Ohr,
Zuletzt warst du es selbst, in den ich mich verlor;
Mein Herz durchzueckt' mit eins ein Freudenstrahl:
Dein ganzer Wert erschien mir auf einmal.
So wunderbar empfand ich es, so neu,
Dass noch bestehe Freundeslieb und Treu!
Dass uns so sichrer Gegenwart Genuss
Zusammenhaelt in Lebensueberfluss!
Da tritt dein Toechterchen mit Licht herein,
Ein laendlich Mahl versammelt Gross und Klein,
Vom nahen Kirchturm schallt das Nachtgelaeut',
Verklingend so des Tages Lieblichkeit.