Ach nur einmal noch im Leben! (Eduard Mörike)
In meinem Garten aber (hiess' er nur noch mein!)
Ging so ein Hinterpfoertchen frei ins Feld hinaus,
Abseits vom Dorf. Wie manches liebe Mal stiess ich
Den Riegel auf an der geschwaerzten Gattertuer
Und bog das ueberhaengende Gestraeuch zurueck,
Indem sie sich auf rostgen Angeln schwer gedreht! -
Die Tuer nun, musikalisch mannigfach begabt,
Fuer ihre Jahre noch ein ganz annehmlicher
Sopran (wenn sie nicht eben wetterlaunisch war),
Verriet mir eines Tages - ploetzlich, wie es schien,
Erweckt aus einer lieblichen Erinnerung -
Ein schoeneres Empfinden, hoehere Faehigkeit.
Ich oeffne sie gewohnter Weise, da beginnt
Sie zaertlich eine Arie, die mein Ohr sogleich
Bekannt ansprach. Wie? rief ich staunend: traeum ich denn?
War das nicht "Ach nur einmal noch im Leben" ganz?
Aus Titus, wenn mir recht ist? - Alsbald liess ich sie
Die Stelle wiederholen; und ich irrte nicht!
Denn langsamer, bestimmter, seelenvoller nun
Da capo sang die Alte: "Ach nur einmal noch!"
Die fuenf, sechs ersten Noten naemlich, weiter kaum,
Hingegen war auch dieser Anfang tadellos.
- Und was, frug ich nach einer kurzen Stille sie,
Was denn noch einmal? Sprich, woher, Elegische,
Hast du das Lied? Ging etwa denn zu deiner Zeit
(Die neunziger Jahre meint ich) hier ein schoenes Kind,
Des Pfarrers Enkeltochter, sittsam aus und ein,
Und hoertest du sie durch das offne Fenster oft
Am gruenlackierten, goldbebluemten Pantalon
Hellstimmig singen? Des gestrengen Muetterchens
Gedenkst du auch, der Hausfrau, die so reinlich stets
Den Garten hielt, gleichwie sie selber war, wann sie
Nach schwuelem Tag am Abend ihren Kohl begoss,
Derweil der Pfarrherr ein paar Freunden aus der Stadt,
Die eben weggegangen, das Geleite gab;
Er hatte sie bewirtet in der Laube dort,
Ein lieber Mann, redseliger Weitschweifigkeit.
Vorbei ist nun das alles und kehrt nimmer so!
Wir Juengern heutzutage treibens ungefaehr
Zwar gleichermassen, wackre Leute ebenfalls;
Doch besser duenkt ja allen was vergangen ist.
Es kommt die Zeit, da werden wir auch ferne weg
Gezogen sein, den Garten lassend und das Haus.
Dann wuenschest du naechst jenen Alten uns zurueck,
Und schmueckt vielleicht ein treues Herz vom Dorf einmal,
Mein denkend und der Meinen, im Voruebergehn
Dein morsches Holz mit hellem Ackerblumenkranz.