Detlev von Liliencron

Kalter Augusttag (Detlev von Liliencron)

I

       Wir standen unter alten Riesenulmen,

An unsers Gartens Rand. Mein Arm umschlang

Die schlanke Hüfte dir. Es lag dein Haupt,

Das schöne, blasse, still an meiner Schulter.

Ein kalter Hauch drang uns entgegen; fröstelnd

Zogst fester du das Tuch um deinen Hals.

In grauer Luft, unübersehbar, lag

Der Wiesen grünes Flachland ausgebreitet.

Wie deutlich hörten wir den Jungen schelten

Auf seine Kühe, deutlich hör ich noch

Dein fröhlich Lachen, als uns die gesunden,

Vom Winde hergetragnen Worte trafen.

Und eine Öde, nordisch unbehaglich,

Durchfror die Landschaft. Krähen stolperten,

Laut krächzend, übern Garten. Schläfrig zog

Am Horizont die Mühle ihre Kreise.

Und doch! Es lag auf Wegen fern und nah

Der Sonnenschein, der Sonnenschein des Glücks.

Und langsam kehrten wir zurück ins Haus.

II

Und wieder stand ich unter unsern Ulmen,

Doch nicht mit dir. Allein sah ich hinaus

In lichten Frühlingstag: Der Junge pfiff

Ein lustig Liedchen seinen Kühen; glänzend

Im Licht umkreisten Krähen hohe Bäume,

In blauer Luft schaut' ich am Horizont

Die Mühle schnell im Wind die Flügel drehn.

Und doch, ich sah nur graue Todesnebel,

Und teilnahmlos kehrt' ich zurück ins Haus.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3 15 007694 3
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.