Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Verzweifflungs-gedichte (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

             

DIe augen schloß ich traurig zu /

Die hände deckten meine stirne /

Ich war entblöst von lust und ruh /

Der kummer füllte das gehirne /

Bald wacht ich auff / bald schlieff ich ein /

Bald wolt ich tod und asche seyn /

Bald wünscht ich weit von hier zu leben;

Und daß ja nichts sey unbekannt /

So hat die thorheit meiner hand

Papier und feder übergeben.

Auff auff mein sinn und du mein fuß /

Ich kan nicht länger hier verziehen /

Mein warten bringet mir verdruß /

Ich wünsche von der welt zu fliehen.

Ich spey auff scepter und auff gold /

Man sey mir feind / man sey mir hold /

Es soll mich beydes gleich erquicken;

Die liebe / so uns närrisch macht /

Und uns bezwingt mit dicker nacht /

Soll mir nicht den compaß verrücken.

Ich lache / wenn ich überhin

Mein tummes leben überlege /

Und diß worauff ich kommen bin /

In den gedancken recht erwege /

Mir zittern beydes marck und bein /

Die stirne wird wie eyß und stein /

Es will geblüt und geist erstarren;

Genug geirrt / genug geklagt /

Den irrthum hat die zeit verjagt /

Ich will nicht länger hier verharren.

Ich eil in eine weisse grufft /

Die keine sonne hat berühret /

Und da die eingesperrte lufft

Uns zeitlich zu dem tode führet /

Der schlangen gifft und drachen rauch /

Der fülle nase / brust und bauch /

Und endlich meinen geist vertreibe /

Auff daß die ausgedorrte brust

Als eine recht bestimmte kost

Für junger drachen zähne bleibe.

Und werd ich ja nicht hingericht /

Durch schlangengifft / geschickt zu tödten /

Will keine drachen-mutter nicht

Mir freundlich seyn in meinen nöthen /

So lauff ich in das heisse land /

In welchem der entbrandte sand

Nichts als die löwen will ernähren /

Die werden endlich meine noth

(Denn nichts begehr ich als den todt)

Und auch zugleich mein fleisch verzehren.

Und will mir weder gifft noch zahn

Die seele von dem leibe scheiden /

Ist nichts so mich verzehren kan /

So mag ich doch nicht ferner leiden:

Es soll mir diese schwache hand

Seyn wider meine brust gewand /

Sie soll den schnöden leib durchstechen;

Hat mich das faule blut geplagt /

Und in viel grosse noth gejagt /

So bin ich fertig mich zu rächen.

Und daß die feder nicht zu viel

Von meinem bösen leben sage /

So habe sie hiermit ihr ziel /

Ich will nicht daß sie ferner klage /

Mit diesem geht mein wallen an /

Wohl jedem der da bleiben kan /

Mein wohlseyn such ich im verderben.

Ihr guten freunde / gute nacht /

Der wunsch sey euch von mir vermacht /

Mein leben mag mein feind ererben.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.