Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Seine geliebte wolte ins kloster gehen (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

1.

           

LIsippe will der erden sich entreissen /

    Ihr edler geist geht zu der ruh /

    Er eilt der reinen sonne zu /

Und will / was himmlisch ist / zu küssen sich befleissen /

    Sie stöst die erde hin /und suchet allzu viel /

    Weil sie bey fleisch und blut als engel leben will.

2.

Schau doch zuvor ein wenig noch zurücke /

    Entlauff dir doch nicht vor der zeit;

    Der schönen augen zärtlichkeit

Verträget nicht so bald die heissen sonnen-blicke.

    Du kanst nicht Enoch seyn / noch des Elias' art /

    Und ehe man verstirbt / wird keine himmelfahrt.

3.

Mit was hat doch die erde dich verletzet /

    Du stürmest wider fleisch und blut /

    Ich weiß nicht / was Lisippe thut /

Die aller regung sich verwegen widersetzet.

    Wer mit sich selber kriegt / und sich zu schlagen tracht /

    Vor diesen hat der sieg die krone nicht erdacht.

4.

Du bist zu schwer / der erde zu entfliehen /

    Du kanst noch kein gestirne seyn.

    Komm / sammle freudens-blumen ein /

Die dir als dienerin itzt selbst entgegen ziehen.

    Wer ungezwungen ihm das marterthum begehrt /

    Ist der erbarmung zwar / doch keines ruhmes werth.

5.

Lisippe laß die prächtigen gedancken /

    Kein mensch verengelt sich doch nicht;

    Vernimm was deine jugend spricht /

Und schreit itzt nicht so bald aus deinen freudenschrancken /

    Da tausend lieblichkeit auff süsse spiele denckt /

    Und lust-rubinen dir zu deinem schmucke schenckt.

6.

Geneuß doch noch der welt ambrirte früchte /

    Der himmel bleibt dir unverzagt.

    Wer allzu kühn zur sonne jagt /

Dem macht ein scharffer strahl den heissen flug zunichte.

    Mensch und auch engel hat uns zeitlich kund gethan /

    Daß man im paradieß und himmel fallen kan.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.