Christian Hofmann von Hofmannswaldau

ISt denn dein hertze gar erfroren... (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

   

ISt denn dein hertze gar erfroren?

Bist du aus schnee und eiß gebohren?

    Hörst du mein seuffzen nicht /

    Und was mein unmuth spricht?

Soll ich dich göttin nennen?

    So nimm des Himmels wehmuth an

    Der leichtlich sich erbarmen kan /

Und uns nicht ewig läst in hoffnungs-flamen brennen.

Des blutes regung zu vermeiden /

Und gantz von fleisch und blut zu scheiden

    Ist nirgends ein gebot /

    Es heissets auch nicht GOtt;

Sich selber zu verlassen

    Ist eine flucht / so sträfflich ist

    Und wer ihm solche bahn erkiest

Den muß die menschlichkeit als einen unmensch hassen.

Du kanst ja deiner nicht geniessen /

Kein mund weiß selber sich zu küssen

    Der schnee auf deiner brust

    Bringt dir geringe lust.

Die fleischichten Granaten

    Seynd nicht allein vor dich erdacht

    Kein mensch ist vor sich selbst gemacht;

Es weiß der klügste geist ihm hier nicht recht zu rathen.

Bezwinge weißlich dein gemüthe

Und folge zeitlich dem geblüte

    Darein im paradieß

    GOtt selber funcken bließ;

Wer kan ihm widerstreben?

    Schau ich dein helles antlitz an

    So fühl ich was der himmel kan

Und wünsch auf deiner brust verparadiest zu leben.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.