Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Abriß eines verliebten (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

   

ER ist ein krancker / den ein stündlich fieber plaget /

Ein jäger / so allzeit nach einem hirsche jaget /

Ein wetterhan der stets nach einem winde steht /

Ein schif / so ungehemmt nach Cypris hafen geht.

Ein märterer der brunst / den freund und feind belachet /

Ein Morpheus / der ihm selbst bey tage träume machet /

Ein arm gefangener / der seine fessel liebt /

Und seinen hencker ehrt wenn er ihm streiche giebt.

Ein Aetna / der voll glut läst flut und ströme fliessen /

Ein hungriger / der bloß will rohes fleisch geniessen /

Ein welt-Sebastian / den Venus schütze trifft /

Ein rechter Adams-sohn / den frauen-hand vergift.

Er wird ein ander kind / läst ernste sachen fahren /

Ein haar / ein altes band / sind seine besten wahren /

Itzt baut er etwas auf / itzt reist ers wieder ein.

Itzt muß Democritus der sitten meister seyn /

Itzt ist es Heraclyt. Das hertze / so er führet /

Vergleicht sich dem metall / das ein magnet gerühret.

Sein himmel ist ihr haupt / die erd ist ihre schoos.

Hier anckert seine lust / es wird der erden kloß /

Der überweißte koth / dem himmel vorgesetzet /

Und ist ihr auge mehr als Venus selbst geschätzet,

So wundre ich mich nicht / daß man das weib veracht /

Weil sie die erste pein zu erst hat aufgebracht.

Sein essen ist ein kuß / sein tranck sind heisse thränen /

Die zeit verjaget er mit seuffzen und mit stehnen.

Und wann ihm etwan träumt / wie er die liebste find /

So hat er nichts als luft / und küsset nichts als wind.

Denn träume / buler / wind sind gleiches thuns gesellen;

Sein schlafen darf er nicht nach einem wecker stellen;

Indem die weckerin / so in dem hertzen steckt /

Ihn besser als er wünscht aus seinem schlaff erweckt /

Und seinen schmertzen rührt. Zu dornen wird das bette /

Mit denen wachet er im lager in die wette /

Und führt der thränen strom um seine wangen her /

Bald will er aus der welt / bald will er über meer /

Und muß doch wie zuvor in seinem hause bleiben /

Muß lernen / wie sein rath nicht stetig wil bekleiben /

Wie erstlich bulerey und die gewölckte nacht

Auf Anschlag / aber nicht auf Ausschlag ist bedacht:

So läst er ohne ruh sich fremde sachen lencken /

Läst in gesunder haut sich seine schwachheit kräncken /

Liebt nacht und finsterniß bey sonne und bey licht;

Ist wie ein schweres schiff / dem der compas gebricht.

Und daß ich nicht zu viel von einer sache sage /

Die allen ist bekandt als allgemeine plage /

So muß der vorhang weg: das mahlwerck ist vollbracht /

Hier hat der mahler selbst sein ebenbild gemacht.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.