August von Platen

Acqua Paolina (August von Platen)

(1827)

           

Kein Quell, wieviel auch immer das schöne Rom

Flutspendend ausgießt, ob ein Triton es sprützt,

    Ob sanft es perlt aus Marmorbecken,

        Oder gigantischen, alten Schalen:

Kein Quell, soweit einst herrschte der Sohn des Mars,

Sei dir vergleichbar, auf dem Janiculum

    Mit deinen fünf stromreichen Armen

        Zwischen granitene Säulen plätschernd.

Dort winkt mir Einsamkeit, die geliebte Braut,

Von dort beschaut, vielfältig ergötzt, der Blick

    Das Rom des Knechts der Knechte Gottes

        Neben dem Rom der Triumphatoren.

Kühn ragt, ein halbentblätterter Mauerkranz,

Das Kolosseum; aber auch dir, wie steigt

    Der Trotz der Ewigkeit in jedem

        Pfeiler empor, o Palast Farnese!

Wo sonst des finsterlockigen Donnergotts

Siegreicher Aar ausbreitete scharfe Klau'n,

    Da hob sich manch Jahrhundert über

        Giebel und Zinne das Kreuz und herrschte.

Bis jüngst, der Schicksalslaune gewaltig Spiel,

Ein zweiter Cäsar lenkte den Gang der Welt,

    Der pflanzte sein dreifarbig Banner

        Neben den schönen Koloß des

Phidias*;

Ein Sohn der Freiheit; aber uneingedenk

Des edlen Ursprungs, einem Geschlechte sich

    Aufopfernd, das ihn wankelmütig

        Heute vergötterte, morgen preisgab.

O hätte dein weitschallendes Kaiserwort

Dem Volk Europas, was es erfleht, geschenkt,

    Wohl wärst du seines Lieds Harmodius,

        Seines Gesanges Aristogiton!

Nun ist verpönt dein Name, Musik erhöht

Ihn nicht auf Wohllautsfittigen; nur sobald

    Dein Grab ein Schiff umsegelt, singen

        Müde Matrosen von dir ein Chorlied.

Und Rom? Es fiel nochmaliger Nacht anheim,

Doch schweigt's, und lautlos neben der herrschenden

    Sechsrossig aufgezäumten Hoffart

        Schleicht der Beherrschten unsäglich Elend.

Nicht mehr das Schwert handhaben und nicht den Pflug

Quiriten jetzt, kaum pflegt die entwöhnte Hand

    Den süßen Weinstock, wurzelschlagend

        Über dem Schutte der alten Tugend.

Im Flammenblick nur, oder im edlen Bau

Des schönen, freiheitlügenden Angesichts

    Zeigt Rom sich noch, am Scheideweg noch,

        Aber es folgte dem Wink der Wollust!

* D. h. auf dem Quirinal, wo Pius VII. wohnte.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000291-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.